Samstag, 01.11.2025

ETF-Boom: Wie sicher ist das passive Investieren?

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Exchange Traded Funds, kurz ETFs, haben in den letzten Jahren eine beispiellose Erfolgsgeschichte geschrieben. Kaum ein anderes Finanzprodukt hat die Investmentwelt so stark verändert wie diese börsengehandelten Indexfonds. Während früher vor allem aktiv gemanagte Fonds den Markt dominierten, greifen heute immer mehr Privatanleger und institutionelle Investoren auf ETFs zurück. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Sie sind transparent, günstig und einfach zu handeln.

ETFs bilden in der Regel einen bestimmten Index wie den DAX, den S&P 500 oder den MSCI World nach. Das bedeutet, dass sie nicht versuchen, den Markt zu schlagen, sondern dessen Entwicklung eins zu eins widerspiegeln. Diese sogenannte passive Anlagestrategie hat vor allem in Zeiten niedriger Zinsen und steigender Aktienmärkte enorme Popularität erlangt.

Allein in Europa stieg das in ETFs verwaltete Vermögen zwischen 2010 und 2025 von rund 300 Milliarden auf über zwei Billionen Euro. Weltweit verwalten ETF-Anbieter inzwischen mehr als zehn Billionen Dollar. Der Boom scheint ungebrochen – doch mit dem Wachstum steigen auch die Fragen nach den Risiken dieser scheinbar sicheren Anlageform.

Warum ETFs so beliebt sind

Ein Hauptgrund für den Erfolg von ETFs liegt in den niedrigen Kosten. Während aktiv gemanagte Fonds oft jährliche Gebühren zwischen ein und zwei Prozent verlangen, liegen die laufenden Kosten bei ETFs meist zwischen 0,1 und 0,5 Prozent. Auf lange Sicht kann dieser Unterschied erhebliche Auswirkungen auf die Rendite haben.

Ein weiterer Vorteil ist die Transparenz. Anleger können jederzeit einsehen, welche Werte im Fonds enthalten sind, da die Zusammensetzung des jeweiligen Index öffentlich bekannt ist. Auch die Handelbarkeit spielt eine große Rolle: ETFs können wie Aktien während der Börsenzeiten gekauft und verkauft werden, was Flexibilität bietet.

Darüber hinaus haben viele Anleger erkannt, dass es selbst professionellen Fondsmanagern oft schwerfällt, den Markt langfristig zu schlagen. Studien zeigen, dass die Mehrheit der aktiv verwalteten Fonds über längere Zeiträume hinter ihren Vergleichsindizes zurückbleibt. Passives Investieren bietet somit eine kostengünstige und effiziente Möglichkeit, an der allgemeinen Marktentwicklung teilzuhaben.

Die Kehrseite des passiven Investierens

So überzeugend die Vorteile klingen, ganz risikofrei ist das Investieren in ETFs nicht. Ein häufig übersehener Aspekt ist die Tatsache, dass ETFs die Entwicklung eines Index nachbilden – unabhängig davon, ob die enthaltenen Unternehmen über- oder unterbewertet sind. Wenn immer mehr Kapital passiv investiert wird, steigt der Anteil des Geldes, das automatisch in die größten Unternehmen eines Index fließt.

Das kann dazu führen, dass bestimmte Aktien überproportional stark steigen, einfach weil sie in den Indizes höher gewichtet sind. Kritiker sprechen hier von einer „Indexblase“, da die Kursentwicklung nicht mehr allein durch fundamentale Unternehmensdaten getrieben wird, sondern durch Kapitalströme in ETFs.

Ein weiteres Risiko besteht in der Marktstruktur selbst. ETFs gelten zwar als liquide, doch ihre Liquidität hängt letztlich von der Handelbarkeit der zugrunde liegenden Werte ab. In Krisenzeiten kann es passieren, dass die Spreads zwischen Kauf- und Verkaufspreisen stark ansteigen oder der Handel zeitweise ausgesetzt wird.

Physische und synthetische Replikation – ein Blick auf die Mechanismen

Nicht alle ETFs sind gleich aufgebaut. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen physischer und synthetischer Replikation. Physisch replizierende ETFs kaufen die im Index enthaltenen Aktien tatsächlich an. Das sorgt für Transparenz, ist aber bei komplexen Indizes mit vielen Positionen auch kostenintensiv.

Synthetisch replizierende ETFs hingegen bilden den Index über sogenannte Swaps ab, also über Tauschgeschäfte mit einer Bank. Dadurch können sie auch schwer handelbare Märkte wie Rohstoffe oder Schwellenländerindizes effizient abbilden. Allerdings entsteht hier ein sogenanntes Kontrahentenrisiko: Wenn die Partnerbank ausfällt, kann es zu Verlusten kommen.

Zwar sind die meisten ETF-Anbieter heute streng reguliert und nutzen Sicherungsmechanismen, doch bleibt ein Restrisiko bestehen. Anleger sollten daher genau prüfen, welche Art der Replikation ein ETF verwendet und wie der Anbieter das Risiko managt.

Die Frage der Markteinflüsse

Ein weiteres Thema, das immer wieder diskutiert wird, ist der Einfluss der ETF-Branche auf die Stabilität der Finanzmärkte. Da ETFs passiv investieren, orientieren sie sich ausschließlich an Indexstrukturen und nehmen keinen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen. Das kann dazu führen, dass große ETF-Anbieter wie BlackRock oder Vanguard zu den größten Aktionären vieler börsennotierter Unternehmen werden, ohne aktiv mitzureden.

Kritiker befürchten, dass dadurch die Marktmechanismen verzerrt werden könnten. Wenn zu viel Kapital passiv investiert ist, könnten Preisbildungsprozesse an Effizienz verlieren. In einem Szenario starker Marktbewegungen könnten ETFs die Schwankungen sogar verstärken, weil viele Anleger gleichzeitig verkaufen und damit zusätzlichen Druck auf die Kurse ausüben.

Sicherheit hängt von der Strategie ab

Wie sicher ETFs letztlich sind, hängt stark von der Anlagestrategie und der Zusammensetzung des Portfolios ab. Wer breit diversifiziert – etwa über globale Indizes wie den MSCI World oder den FTSE All-World – reduziert das Risiko einzelner Länder oder Branchen. Auch regelmäßiges Investieren über Sparpläne hilft, Marktschwankungen auszugleichen.

Gefährlich wird es, wenn Anleger ETFs als kurzfristige Spekulationsobjekte nutzen oder ihr gesamtes Vermögen in wenige Indizes konzentrieren. Dann geht der Diversifikationsvorteil verloren, und das Risiko steigt erheblich. Wichtig ist daher, ETFs als langfristige Anlageinstrumente zu betrachten und nicht als Mittel zur schnellen Rendite.

Fazit: Passiv ist nicht automatisch risikolos

ETFs sind zweifellos ein Meilenstein der modernen Geldanlage. Sie bieten eine einfache, kostengünstige und transparente Möglichkeit, an der Entwicklung der Kapitalmärkte teilzuhaben. Doch wie bei jeder Investition gilt: Auch das passive Investieren birgt Risiken.

Die Sicherheit hängt weniger vom Produkt selbst als von der Art seiner Nutzung ab. Wer sich über die Funktionsweise informiert, auf Diversifikation achtet und langfristig denkt, kann mit ETFs solide Ergebnisse erzielen. Wer jedoch blind dem Trend folgt, ohne die Mechanismen zu verstehen, riskiert, in turbulenten Zeiten böse überrascht zu werden.

Der ETF-Boom zeigt, dass immer mehr Menschen Verantwortung für ihre Geldanlage übernehmen. Doch echte Sicherheit entsteht nicht durch Passivität, sondern durch Wissen, Disziplin und einen klaren Anlageplan.

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