Dienstag, 05.08.2025

Richter Beruf: Vom göttlichen Orakel zum unabhängigen Hüter des Rechts

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Nah dran am Leben. Echt aus der Vorstadt.

Wenn heute eine Richterin in ihrem schwarzen Talar das Urteil verkündet, steht sie am Ende einer jahrhundertelangen Entwicklung. Der Richterberuf, wie wir ihn heute kennen – unabhängig, hochqualifiziert und an Gesetz und Verfassung gebunden – hat eine lange und spannende Geschichte.

Von Stammesältesten zu königlichen Richtern
In der Antike und im frühen Mittelalter waren Richter oft keine ausgebildeten Juristen. Häufig entschieden Stammesälteste, Priester oder vom Herrscher ernannte Vertrauenspersonen über Streitigkeiten. In germanischen Stämmen tagte etwa das „Thing“, bei dem freie Männer gemeinsam Recht sprachen – mit einem starken Einfluss von Tradition und Religion.

Erst mit der zunehmenden Zentralisierung der Herrschaft im Mittelalter wurden Richter zu festen Organen der Staatsmacht. Könige und Fürsten setzten ihre eigenen Richter ein, um Recht in ihrem Namen zu sprechen. Von Unabhängigkeit konnte damals keine Rede sein: Urteile folgten oft dem politischen Interesse des Herrschers.

Die Geburt der modernen Justiz
Die entscheidende Wende kam in der Aufklärung und mit der Entstehung moderner Nationalstaaten. Mit der Kodifizierung des Rechts – etwa durch das „Allgemeine Landrecht“ in Preußen (1794) oder den „Code civil“ in Frankreich (1804) – entstand die Grundlage für ein einheitliches, geschriebenes Recht.

Damit wandelte sich auch das Berufsbild des Richters: Er wurde zum Fachjuristen, der nach festgelegten Gesetzen urteilte, nicht nach Willkür. Die Idee der Gewaltenteilung, geprägt von Montesquieu, machte den Richter zum unabhängigen Organ der Judikative, das weder Legislative noch Exekutive untersteht.

Richter im 21. Jahrhundert
Heute ist der Richterberuf in Deutschland und vielen anderen Ländern streng geregelt: Nur wer ein abgeschlossenes Jurastudium, das Referendariat und das zweite Staatsexamen absolviert, kann Richter werden. Berufseinsteiger beginnen oft als Proberichter, bevor sie auf Lebenszeit ernannt werden.

Die Herausforderungen des Berufs haben sich gewandelt: Digitalisierung, internationale Rechtsfragen und die hohe Belastung durch komplexe Verfahren prägen den Alltag. Gleichzeitig genießt die richterliche Unabhängigkeit in modernen Demokratien höchsten Schutz – ein harter Kontrast zur Geschichte, in der Richter oft nur Sprachrohre der Macht waren.

Vom Urteil des Schicksals zum Urteil des Rechts
Die Entwicklung des Richterberufs spiegelt den Weg von der Willkür zur Rechtsstaatlichkeit. Wo früher göttliche Zeichen oder der Wille des Herrschers entschieden, urteilen heute hochqualifizierte Juristinnen und Juristen auf Grundlage von Gesetzen – ein Fundament, auf dem das Vertrauen in unsere Justiz ruht.

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